Zeitleiste zum Kieler Matrosenaufstand - 1918 und zu den Februarereignissen 1919 in Kiel

 

Matrosen und Arbeiter
 
Regierung und militärische Führung
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Foto Popp Mitte 1920er
Lothar Popp (USPD).
(Foto: Mitte 1920er, Staatsarchiv HH)
Vorsitzender des ersten Arbeiterrats in Deutschland.

Die Arbeiter in Österreich-Ungarn treten in den Jännerstreik, weil sie befürchten, dass die dt. OHL, nach dem Sturz des Zaren und der Oktoberrevolution, den Frieden mit Russland durch exorbitante Forderungen sabotieren will.

Kurz nach den Arbeitern in Österreich-Ungarn streiken die deutschen Arbeiter (Januarstreik). Kiel macht am 25. den Anfang. Auf dem Wilhelmplatz wird am 26. ein Arbeiterrat gewählt. Lothar Popp (USPD) wird Vorsitzender. Er wird am nächsten Tag verhaftet und muss 2 Monate Gefängnis in Neumünster absitzen. Die anderen Redner der USPD: Theil und Strunk erhalten 2 bzw. 1 1/2 Jahre.

Mehr Info (pdf): >>

Jan. 1918

Die OHL setzt ihre Forderungen durch. Der Frieden von Brest-Litowsk (3.3.1918) ist schlimmer als der spätere Frieden von Versailles. (7)

Danach führt Dt. in den Augen breiter Teile der Bevölkerung keinen Verteidigungskrieg mehr sondern einen Eroberungskrieg.

Wihlem Deist schrieb 1991: "Mit Eroberungsvor-stellungen über ein Ostimperium oder die Annexion Belgiens, [...] war die These des Verteidigungskrieges nicht mehr aufrechtzuerhalten. Das hat enorme Auswirkungen auf die Masse der Bevölkerung gehabt." (6)

Der Ingenieur der Kieler Germaniawerft Nikolaus Andersen notierte in sein Tagebuch (10.1.1918): "Die Vaterlandspartei läuft Sturm gegen den H. Kühlmann [Außenminister-Funktion], man spielt den Rücktritt Ludendorffs [OHL] gegen Kühlmann aus, weil er nicht genug einverleiben will. Lumpenbande." (Siehe "Zeitzeugen")

Nach dem Auslaufen der Streikwelle in Österreich-Ungarn kam es zum Matrosenaufstand in Cattaro, dem südl. Kriegshafen der österr.-ungarischen Marine in der Andria; Hintergrundinfo >>
1.2.
1918
   
   
29.9.
Die Oberste Heeresleitung (OHL) fordert von der auf ihren Druck neu eingesetzten parlamentarisch legitimierten Reichsregierung ein sofortiges Waffenstillstandsangebot an die Entente.  
   
29. und 30. 10.

Die Marineführung will eigenmächtig von Wilhelmshaven aus einen Flottenvorstoß gegen England durchführen, der vermutlich zu einer großen Niederlage geführt hätte, um ihre Option auf einen Weltgeltungsanspruch offenzuhalten und die eigene Zukunft zu sichern. Der zu vernichtende Operations-befehl sah vor, in der Themsemündung und vor Flandern gegen Streitkräfte und Verkehr vorzugehen. Die möglichen erneuten zivilen Opfer (nach der Versenkung der RMS LEINSTER durch UB-123) hätten die neue Reichsregierung erneut in eine schwierige Situation gebracht. Befehlsverweigerungen, Meutereien und Sabotage von Matrosen verschiedener Einheiten verhindern dies.

Am 30. 10. wird Admiral Souchon Gouverneur in Kiel und Chef der Marinestation der Ostsee anstelle von Adm. Bachmann.

Urheber des Plans waren Kapitän z.S. v. Levetzow (Chef des Stabes in der Seekriegsleitung) und Konteradmiral v. Trotha, (Chef des Stabes bei der Hochseeflotte). Trotha schrieb:
"Der Flotte steht ein solcher Schlußkampf als höchstes Ziel vor Augen ... auch wenn er ein Todeskampf wird ... (daraus) wird ... eine neue deutsche Zukunftsflotte hervorwachsen; einer durch schmachvollen Frieden gefesselten Flotte ist die Zukunft gebrochen."
Erst später schob Scheer den Schutz der flandrischen Küste als Begründung nach. (1)

Literaturstudie (pdf, 300 kB) >>

   
Do, 31.10
Der Flottenchef verlegt das III. Geschwader nach Kiel. Dort wird jederzeit mit einem Generalstreik der großen Arbeiterschaft gerechnet. Auf der Fahrt durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal, der heutige Nord-Ostsee-Kanal, werden 48 (Anm. 8) vermeintliche Rädelsführer der "Markgraf" verhaftet und von Holtenau aus in verschiedene Arrestanstalten in Kiel gebracht. Eintreffen der Schiffe im Kieler Hafen mit über 5000 Mann Besatzung in der Nacht zum 1. November.

Zeichnung Markgraf
SMS Markgraf

Virtueller Stadtrundgang >>

Gewerkschaftshaus Kiel
Landurlaub für Schiffsbesatzungen. Abends Versammlung von etwa 250 Matrosen des III. Geschwaders im Gewerkschaftshaus in der Fährstraße (heute Legienstraße). Abordnungen fordern vergeblich die Freilassung der inhaftierten Kameraden von den Schiffskommandanten.
Fr, 1.11.
   

Karl Artelt
Karl Artelt

Berichte der Vorgänge, darunter Polizeibericht (pdf) >>

Abends gegen 19 Uhr versammeln sich etwa 500 bis 600 Matrosen und einige Zivilisten auf dem großen Exerzierplatz im Viehburger Gehölz zu einer Demonstration. Der Matrose Karl Artelt (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands - USPD -) geht als einziger Redner über die Forderung nach sofortiger Freilassung der Inhaftierten hinaus, ruft zur "Niederkämpfung des Militarismus und Beseitigung der herrschenden Klasse" auf und sucht Verbindung mit Vertrauensmännern der USPD. In dieser Nacht werden erste Flugblätter vervielfältigt.
Sa, 2.11.
Die Berliner Regierung erhält Kenntnis von den Vorgängen bei der Marine.  
   
So,
3.11.
Morgens: Auf der "Markgraf" werden weitere 57 Matrosen und Heizer verhaftet. Sie können jedoch erst "auf Zureden" ins Fort Herwarth gebracht werden.  
    10:00 Konferenz hoher Marineoffiziere im Kieler Stationsgebäude. Beschluß, gegen 16 Uhr Stadtalarm zu geben, um Matrosen an der Teilnahme einer für 17 Uhr vorgesehenen Versammlung zu hindern.
Telegramm des Gouverneures Souchon an das Reichsmarineamt mit einem Lagebericht und der Bitte: "... wenn irgend möglich, hervorragenden sozialdemokratischen Abgeordeneten hierherzuschicken, um im Sinne der Vermeidung von Revolution und Revolte zu sprechen."
Foto Marinestation
Marine Station Ostsee

Foto der Versammlung
Versammlung
Foto-Infos, 500 kB pdf >>

 

Virt. Stadtrundgang >>
15:30-16:00 Stadtalarm ohne Wirkung bei den Matrosen; ca. 17 Uhr Versammlung von etwa 5000 bis 6000 Teilnehmern (4/5 Matrosen) auf dem großen Exerzierplatz mit den Hauptrednern Gustav Garbe (SPD, Gewerkschaftsvorsitzender) und Karl Artelt (USPD). Ein Demonstrationszug zur Arrestanstalt in der Feldstraße setzt sich in Bewegung: über Rondeel, Sophienblatt, Bahnhof (eine Frau gerät unter die Straßenbahn und stirbt), Holstenstraße, Markt, Dänische Straße in die Brunswiker Straße.
   
Detaillierte Darstellung der Vorgänge, Quellen, etc. (pdf, 1 MB) >>
Virt. Stadtrundgang >>
ca. 19:00 Bewaffneter Zusammenstoß zwischen den Demonstranten und einer Patrouille an der Ecke Karlstraße: 7 Tote und 29 Verletzte, von denen später 2 ihren Verletzungen erliegen.
Am Abend hatte Souchon Infanterie von auswärts angefordert, dies jedoch nach der Auflösung der Demonstration wieder zurückgenommen. Die amtlichen Stellen glauben noch, Herr der Lage zu sein.  
 

Bereits in der Nacht gibt es wieder Unruhen.

Morgens: Bewaffnete Matrosen ziehen von Kaserne zu Kaserne, teils an die Stelle des Zusammenstoßes in der Karlstraße, teils ziellos durch die Stadt; vermtl. in dem Bemühen, Soldaten und Waffen zu bekommen, um einen erneuten Befreiungsversuch zu unternehmen.

 


Mo, 4.11.

 

 

 

 

 

 

 

 

Mo, 4.11.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mo, 4.11.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mo, 4.11.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mo, 4.11.

 

Früh am Morgen des 4. 11. wird erneut Infanterie angefordert. Eine Rendsburger Einheit erreicht um die Mittagszeit Kiel und wird in den Brennpunkt Wik geschickt. Doch bevor die Truppen die Kasernen erreichen, haben die Aufständischen diese komplett übernommen. Souchon zieht daraufhin die Truppen zurück und verlegt sich auf Verhandlungen. Die Verantwortlichen in Lübeck können erst um 9 Uhr erreicht werden. Diese Einheiten sowie weitere aus Neumünster und Schleswig kommen zu spät in Kiel an und gehen teilweise über. Zum genaueren zeitlichen Ablauf siehe den Artikel: "Anmerkungen zu Ernst-Heinrich Schmidt: Heimatheer und Revolution 1918", der im Anhang eine detaillierte Zeitleiste enthält (pdf, 100 kB): >>

Virt. Stadtrundgang >>

Foto Torpedo-Werkstatt

Vorgänge im Gewerk-schaftshaus >>

10:00 Arbeiter der Germaniawerft und der Torpedoanstalt in Friedrichsort legen die Arbeit nieder.

13:00 Eine große Zahl von Marineangehörigen und Arbeitern trifft sich im großen Saal des Gewerkschaftshauses.

15:00 Besprechung der Vertrauensleute im Gewerkschaftshaus. Für den nächsten Tag wird der Generalstreik beschlossen.

Um 12:30 Uhr erhält Oberstleutnant v. Raven telefonisch den Befehl von Oberst v. Voß, dem Chef des Stabes des stellvertretenden IX. Armeekorps sich sofort nach Kiel zu begeben und dort das Kommando über die von außen nach Kiel entsandten Einheiten aus Neumünster, Rendsburg, Schleswig und Lübeck zu übernehmen. Er fährt von Rendsburg per Auto über Eckernförde zum Kieler Hauptbahnhof, wo er gegen 17 Uhr eintrifft. Souchon stellt ihm zwei Seeoffiziere zur Seite.  

Kasernenanlage in Kiel-Wik
Kasernenanlage in Kiel-Wik

Virt. Stadtrundgang >>


Schiffssoldatenräte (P. LUITPOLD: Wilhelmshaven, ELSASS: Kiel)

13:00 Gehorsamsverweigerung der Matrosen in einer großen Kasernenanlage im Norden Kiels: Nach einem Divisionsappell des Kommandeurs bilden sich spontane Demonstrationen.
Auf Initiative Karl Artelts bildet sich der erste Soldatenrat.
Matrosen, unter ihnen Karl Artelt übergeben dem Kommandeur 6 Forderungen.

Bald bilden sich viele weitere Soldatenräte.
13:30 Stadtkommandant und Militärpolizeimeister gestehen ein, nicht mehr Herr der Lage zu sein. Gouverneur Souchon verlegt sich auf Verhandlungen und lässt durchgeben, die Wünsche der Truppen seien ihm sofort zu melden.
Karl Artelt fährt mit anderen Matrosen und einer großen roten Fahne am Auto zum Gouverneur.

Der Kommandierende General des stellvertretenden Generalkommandos des IX. Armee-Korps in Altona Falk: "Ich selbst war seit dem Sonntag, den 3. November, an dessen Abend mich der Hilfeschrei des ratlosen Gouvernements Kiel in Altona erreichte, hier unabkömmlich; im Versuch zusammen-zuraffen, was noch an Truppenbrocken im Korpsbezirk und dessen Nachbarschaft zu sammeln war; im Dauerverkehr mit dem Kriegsministerium; mobile Truppen (1 Korps) heischend, um damit die Aufrührer zu Paaren zu treiben. Der schnelle Entschluss - vom Kriegsministerium genehmigt - der verheissenen Truppe entgegen zu eilen, blieb ohne Erfolg. Die Ereignisse waren schneller als ich." (Brief an Trowitz vom 12.11.1936; BArch RM 8/1025 Bl 53-54)

Überblick über die Vorgänge im III. Geschwader: >>

 

 

 

 

 

 

 

Am frühen Nachmittag läuft das III. Geschwader, ohne die "König", die bereits im Dock liegt, nach Travemünde aus, in der Hoffnung, der Unruhe Herd könnte so beseitigt werden. Die Mannschaften rühren keine Hand um die Leinen los zu machen. Dies müssen Fähnriche und Deckoffiziere besorgen. Ca. 1000 Matrosen bleiben an Land zurück.

Ca. 15:00 Erste Verhandlung des Gouverneurs mit Vertretern der Matrosen (Artelt, Ehle, Schaaf, Fischer). Der Gouverneur sagt zu, dass die Verhafteten freigelassen werden sollen. Die Delegation fährt zurück in die Wik und trifft vermutlich vor der Wiker Post auf eine Einheit Rendsburger Infanterie. Artelt spricht zu den Soldaten. Die Einheit kehrt um.

   

Kohlezeichnung Freilassung der Matrosen

Foto-Info 500 kB >>

Virt. Stadtrundgang >>

Ca. 17-19 Uhr: Zweite Verhandlung des Gouverneurs mit Matrosen und Vertretern der SPD und USPD. Deren Forderungen werden allen Marineteilen in Kiel vom Gouverneur mitgeteilt (>>). Nach einem "Triumphzug" von der Wik bis zur Arrestanstalt in der Feldstraße empfangen mehrere tausend Matrosen ihre freigelassenen Kameraden.
Der Gouverneuer schickt eine Abordnung ins Gewerkschaftshaus, wo sich tausende Matrosen und danach die Vertrauensleute der Betriebe versammelt hatten. Er lässt "maßgebende Vertreter" der Arbeiter und Soldaten zu Verhandlungen ins Gouvernement kommen.

 

 

 

Virt. Stadtrundgang >>


Die 14 Kieler Punkte des Soldatenrats (pdf) >>

Virt. Stadtrundgang >>

Ab 20 Uhr Versammlung von Matrosen und Arbeitervertretern im Gewerkschaftshaus mit der Folge, daß in der Nacht ein Soldaten- und ein Arbeiterrat gebildet werden.
Aufstellung der "14 Kieler Punkte".

Am selben Abend (21-24 Uhr) findet eine dritte Verhandlungsrunde mit Haußmann, Noske, hohen Offizieren, Vertretern der soz-dem. Parteien und Matrosen im Stationsgebäude statt. Berichte: >>
19.30 Ankunft der von der Berliner Reichsregierung entsandten Emissäre, Staatssekretär Haußmann und SPD-Abgeordneter Noske auf dem Kieler Hauptbahnhof.  
U-Boot-Hafen in Kiel
Foto-Infos, 200 kB pdf >>
Morgens: Bei Sonnenaufgang hissen die Kriegsschiffe im Hafen nicht die Kriegs-, sondern rote Flaggen.

Di 5.11.

 

 

 

 

 

 

 

Di 5.11.

 

 

 

 

 

 

Di 5.11.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Di 5.11.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Di, 5.11.

Nur auf der "König" hatte der Kommandant vorher die Kriegsflagge setzen lassen. Zwei Offiziere und der Kommandant verteidigen die Fahne in einem Schußwechsel. Erst nachdem sie schwer verwundet werden, wird auch auf der König die rote Fahne gesetzt. Ein Matrose und die Offiziere sterben, der Kommandant überlebt. Auch auf der "Schlesien" wurde die Kriegsflagge gesetzt und das Schiff floh anschließend aus dem Kieler Hafen nach Flensburg. Dort verließen die Matrosen und Heizer das Schiff, das im Rahmen der Maßnahmen gegen die Aufständischen in Kiel der Seekriegsleitung (SKL) unterstellt wurde (s.u.) Dann fuhr das Schiff über Marstal nach Swinemünde. Die etwa 200 Seekadetten mussten als Heizer arbeiten (Seekadett Richter: "... eine Hölle, kann ich dir sagen"). Mehr Info: >>


Gustav Garbe
Biografie >>

Virt. Stadtrundgang >>

Generalstreik der Arbeiter.
In den frühen Morgenstunden wird ein Arbeiterrat gebildet. Gustav Garbe, Vors. des Kieler Gewerkschaftkartells, SPD, wird Vorsitzender. Der Rat kontrolliert ab 10 Uhr die Stadtverwaltung, deren Spitzen nicht ausgewechselt werden, sondern Beigeordnete aus dem Arbeiterrat erhalten. Nur das Ernährungsamt wird direkt vom Arbeiterrat übernommen.
Es wird aber versäumt auch der Justiz Beigeordnete vorzusetzen. Dadurch wäre "unendlich viel an reaktionären Bestrebungen hintangehalten worden" (Peter Hillbrecht, Vors. Volksrat in SHVZ 5.11.1919)
   

 

Foto bewaffneter revolutionärer Matrosen

Foto-Infos, 3 MB pdf >>

Foto einer Patrouille des Soldatenrats

Foto-Infos, 200 kB pdf >>

Berichte und Untersuchungen zu den Schießereien (pdf) >>

Flugblatt Beschlüsse des Soldatenrats

Aufruf des "großen Soldatenrats", unterzeichnet: Artelt und Noske

Die Matrosen befürchten nach wie vor Gegenstöße des Militärs. Den Offizieren werden Rangabzeichen und Waffen abgenommen. Die Matrosen haben den Eindruck, dass Offiziere an verschiedenen Stellen aus Häuserfenstern auf sie schießen. Von 13-15 Uhr kommt es zu ausgedehnten Schießereien in ganz Kiel; besonders intensiv auf dem Kasernenhof der I. MD in der Feldstraße. Es kommt zu 10 Toten und 21 Verletzten. (Details: >>)
Abends wird Stadtkommandant Heine von einer Patrouille erschossen als er sich seiner Festnahme widersetzt. Der Militärpolizeimeister und Polizeipräsident war nach Rügen geflohen.

Der Soldatenrat untersagt die "selbständige Patrouillengestellung" der Matrosen.
13:00: Noske wird auf einer Versammlung auf dem Wilhelmplatz zum vorläufigen Vorsitzenden des Soldatenrates gewählt, den er nach eigener Darstellung anschließend auf einer Vertrauensleuteversammlung selbst zusammenstellt. (2)

Die Seekriegsleitung in Berlin wartet die Entscheidung des Kabinetts nicht ab und schickt ein Telegramm an das Kommando der Hochseestreitkräfte, in dem sie vorgeblich im Einvernehmen mit der Regierung befiehlt: Jeder Widerstand sei sofort zu brechen, das IX. Armeekorps solle Kiel zu Lande und das Hochseekommando zur Seeseite absperren.

Am frühen Abend trifft
Haußmann wieder in Berlin ein. Im Kabinett setzt er sich für die Forderungen der Matrosen ein und betont, dass „die Sache“ nur durch die Sozialdemokraten und Gewerkschaften „gehalten werden“ könne. Staatsekretär des Reichsmarineamts, Ritter v. Mann und der preußische Kriegsminister, Schëuch sprechen sich dagegen für härteste Maßnahmen und ein Abriegeln Kiels aus, um ein Exempel zu statuieren. Die Entscheidung wird vertagt.

Flugblatt mit Aufruf des GOuverneurs an die Offiziere

Aufruf des Gouverneurs an die Offiziere

 

Admiral Scheer schlägt dem Kaiser vor, dass Admiral v. Schröder den Kieler Gouverneur Souchon ersetzen und an der Spitze einer Brigade nach Kiel verlegt werden solle. Der Kaiser ist einverstanden und erlässt ohne Rücksprache mit der Regierung die entsprechenden Befehle.

    Abends flieht Prinz Heinrich, der Bruder Kaiser Wilhelms aus Kiel, eine rote Fahne am Auto.

Abends telefoniert Noske mit Vizekanzler v. Payer und warnt vor Gewalt. Die 40.000 Mann in Kiel könnten nicht überwältigt werden und der Versuch würde jede Verständigung unmöglich machen. In einem weiteren Gespräch mit Ritter v. Mann wiederholt Noske die Forderungen nach Amnestie für die Matrosen und Rücktritt oder Abdankung des Kaisers.
 

Weitere Informationen (pdf) >>
Hören Sie Lothar Popp (Auszug als mp3, 10 MB)
>>

Foto Popp Mitte 1920er
Popp, Mitte 1920er

Virt. Stadtrundgang >>

Noske versucht auf einer großen Versammlung die Vertreter der Matrosen zum Abbruch des Aufstands zu überreden. Popp und Garbe sprechen dagegen. Noskes Vorstoß wird abgelehnt. Auch die SPD Zeitung schrieb: "Es kann natürlich keine Rede davon sein, die Bewegung in dem Sinne abzubauen, dass etwas von dem aufgegeben wird, was durch sie im gegenwärtigen Augenblick politisch erreichbar ist."

Popp und Noske werden gleichberechtigte Vorsitzende des Soldatenrats. (2)

Auf Initiative Lothar Popps werden in allen Einheiten Vertrauensleute gewählt. Diese wählen den Großen Soldatenrat und vermutlich am nächsten Tag den Obersten Soldatenrat.

Mi, 6.11.

Das Kabinett in Berlin nimmt den Vorschlag Haußmanns einstimmig an, da auch in anderen Küstenstädten Unruhen auszubrechen drohen zu deren Niederwerfung Truppen aus Altona angefordert worden waren (die eigentlich in Kiel eingesetzt werden sollten).

Die Seekriegsleitung bestätigt dagegen die Befehle vom Vortag.

Die Reichsregierung lehnt die Kommandierung von Admiral Schröder nach Kiel entschieden ab. Scheer empfiehlt dem Kaiser die Rücknahme des Befehls, da auch er einsehen muss, dass mit militärischer Gewalt nichts mehr zu erreichen sei, und der Kaiser stimmt zu.
Plakat des Arbeiter- und Soldatenrats

Lothar Popp (USPD) wird alleiniger Vorsitzender des Obersten Soldatenrates.
Der Arbeiter- und der Soldatenrat erklären in einem Aufruf an die Bevölkerung Schleswig-Holsteins: "Die politische Macht ist unserer Hand."
"Unser Ziel ist die freie soziale Volksrepublik."

7.11.

Gustav Noske löst Admiral Souchon als Gouverneur ab.
In Kiel treten wieder "geordnete Verhältnisse" ein.

Die Seekriegsleitung bestätigt nochmals die o.g. Befehle. Dass sie nicht umgesetzt werden, liegt allein daran, dass die erforderlichen Truppen nicht vorhanden sind, wie Dirk Dähnhardt schreibt (3).

Artikel der Kieler Neusten Nachrichten vom 10.11.1918 (doc, 30 kB): Weitere Festigung der Lage
 

Scheidemann ruft in Berlin die Republik, Karl Liebknecht die sozialistische Republik aus.


Das III. Geschwader kommt nach Kiel zurück und setzt beim Einlaufen ebenfalls die rote Flagge. Die Offiziere durften sich nicht an der Schiffsführung beteiligen.

9.11.

Delegationen des Soldatenrats und der Offiziere einigen sich darauf, dass jene Offiziere, die schriftlich erklären, der neuen Volksbewegung nicht feindlich gegenüberzutreten, wieder Vorgesetzte seien.

Der Kaiser entbindet die Offiziere von ihrem Eid.

 

Foto Matrosendemo
Foto wurde irrtümlich Kiel zugeordnet; Infos, 200 kB pdf >>

Liste der Opfer, 500 kB pdf >>

Beerdigung, 1,2 MB pdf >>

Virt. Stadtrundgang >>

Bestattung der Opfer vom 3. und 5. November.

In Berlin bildet sich der Rat der Volksbeauftragten mit den gleichberechtigten Vorsitzenden Ebert (MSPD) und Haase (USPD).

10.11.
Der Kaiser flieht nach Holland.  

Foto: Die letzten der Amazone 1918
"Die letzten der Amazone"

Virt. Stadtrundgang >>

Matrosen und Soldaten werden massenweise demobilisiert.
11.11.
Waffenstillstand in Compiegne unterzeichnet.  
 
Vor allem die U-Boot-Fahrer setzen eine Überführungsprämie durch.
So, 17.11. (9)

Gemäß den Bedingungen des Waffenstillstands fahren das III. Geschwader und weitere Schiffe zunächst nach Wilhelmshaven und von dort in die englischen Küstengewässer sowie später in die Internierung nach Scapa Flow. Noch nicht fahrbereite Schiffe (u.a. "König") folgen am 3.12.

Am 29.11. treffen die in Pola (Adria) stationierten U-Boote in Kiel ein. Noske begrüßt die Besatzungen. Die meisten Boote werden offenbar zerlegt; zwei werden im Jan. 1919 nach England geschleppt (Siehe Niemöller: Vom U-Boot zur Kanzel, S. 147 f.).

   
Mitte Nov.
Korvettenkapitän Wilfried von Loewenfeld beginnt zunächst heimlich, jedoch mit Wissen Noskes, mit dem Aufbau einer Freicorpsformation. Die Formation entsteht aus einer konspirativen Vereinigung von Seeoffizieren, die die politische Entwicklung möglichst vollständig zurückdrehen wollen. (4)
Am 3.2.1919 erhält Canaris die offizielle Erlaubnis Noskes zum Aufbau der Loewenfelder". Diese werden während des Kapp-Putsches in Kiel (März 1920) ein großes Blutbad unter den Kieler Arbeitern anrichten.

Informationen über Loewenfeld (pdf): >>

Das Foto wurde bisher Kiel zugeordnet, muss aber Berlin zugeordnet werden; Infos zum Foto >>


Aufruf der Kieler Räte: Unser Ziel ist die sozialistische Republik
Die Räte in Kiel erklären am 21. Nov.: "Unser Ziel ist die sozialistische Republik. Wir wollen nicht nur die politische sondern auch die wirtschaftliche Demokratie."

Karl Edler (MSPD) und Springer (USPD) erstatten am 26. November 1918 einen Bericht beim Berliner Vollzugsrat über die Vorgänge in Kiel, dabei geben sie auch Erläuterungen zur Entstehung des Aufrufs vom 21.11.: >>.
Ende
Nov.
   
 
Lothar Popp übergibt den Vorsitz im Obersten Soldatenrat an Karl Artelt, vermutlich aus Resignation, weil die Räte ihre Macht an die Nationalversammlung abgeben wollen. Er bleibt aber - wohl pro forma - "politischer Beirat" (s. "Republik" vom 11. 12 1918.)
10.12.
   
    11.12. Englische Untersuchungskommisssion trifft in Kiel ein.  

"
Der Reichs-Rätekongress in Berlin stimmt für Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung, die am 19.1.1919 stattfinden
19.12.
   
 
Der Soldatenrat stellt eine "Revolutionäre Sicherheitstruppe" auf und setzt sich damit gegen Noske durch. Die Deck- und Unteroffiziere erhalten eine eigene Kompanie innerhalb dieser Truppe. (5)
26.12. Ebert bittet Noske dringend nach Berlin zu kommen und in die Regierung einzutreten.  
    27.12.

Noske fährt in Begleitung von Adolf v. Trotha nach Berlin. Nachfolger als Gouverneur wird Gustav Garbe (Vors. des Kieler Metallarbeiter Verbandes), er tritt am 11.1.1919 als Vors. des Arbeiterrats zurück.
Am 29.12. tritt Noske in den Rat der Volksbeauftragten ein und übernimmt den Bereich "Heer und Marine".

 
 
Karl Artelt tritt zurück (nach Dähnhardt (Rev. in Kiel, S. 137) am 5. aber das war ein Sonntag), vermtl. weil er die Aufstellung der Eisernen Div. nicht verhindern kann; Nachfolger wird zunächst Hartig, später Riefstahl.
 Mo
6.1.
1919
Auf Noskes Anforderung baut der Deckoffizierbund die Eiserne Division mit 1200 Mann auf; offizielle Bezeichnung: 1. Marine-Brigade.
Am 9. Januar 1919 trifft die Truppe in Berlin ein.
Info: >>
Kampfgruppe der Eisernen Division
Kampfgruppe der Eisernen Brigade
   
 6.1.
1919
Noske wird Oberbefehlshaber und verlässt offiziell Kiel  
Februar-Ereignisse 1919 (sog. Spartakisten-Aufstand) in Kiel
Externer Link zur Bremer Räterupublik >>
Bremen erklärt sich zur Räterepublik
10.1.
1919
   
      Noske setzt die Division Gerstenberger, in der die 1. Marinebrigade (Eiserne Division, Kiel) die Hauptstütze bildete, in Marsch.
Aufruf Garbes
Aufruf Garbes am 11.1.1919
Detailliertes Papier mit Bewertung der Ereignisse (pdf) >>
500 - 1000 Demonstranten in Kiel fordern Waffen vom Soldatenrat, um Bremen unterstützen zu können.
Spartakisten stürmen Waffenläden und überrumpeln Posten in Suchsdorf und Holtenau
4.2. 1919
Noske lässt Bremen stürmen  

 

 

Bericht O. Preßlers von den Ereignissen >>

Es werden 6 Personen getötet und etwa 20 verwundet, siehe >>

Die Arbeiterschaft der Reichs-, der Germania- und der Howaldt-Werft führen einen Sympathiestreik für Bremen durch.
Radikale Arbeiter besetzen kurzzeitig die Marinestation und versuchen dann in die Kaserne an der Annenstraße einzudringen.
Mi 5.2. 1919
Die Kaserne wird von einer Abteilung der Sicherheitswehr des Soldatenrats, die sich aus Deckoffizieren zusammensetzt und durch Studenten und Offiziere verstärkt wird, verteidigt und zurückerobert.

Fotos vom 7.2.1919
Foto oben >>, links >>, rechts >>
Der Arbeiter- und Soldatenrat lässt ein Flugblatt verteilen >>
Aufruf zum Generalstreik (wird von den Werften und den GRoßbetrieben befolgt)
6.2.
1919
   
 
Die radikalen Arbeiter zihen sich aus der besetzten Gewerbeschule zurück. Der Generalstreik wird beendet.
8.2. 1919
Garbe verlangt die Abgabe der Waffen von den Studenten und lässt die spartakistischen Anführer frei.  
Einschätzung der Ereignisse durch D. Dähnhardt >>
Proteste des Soldatenrats in Berlin bei Noske bleiben ohne Wirkung.
  Mit Billigung Noskes wird die Sicherheitswehr des Soldatenrats der Freicorpsformation Loewenfelds unterstellt.
         
  Zusammensetzung des Obersten SR (nach Kieler Zeitung 1.3.1919 M): Riefstahl (Vors.), Bublat, Schlüter, Klaus, Rannow, Rath, Widmaier, Thümmel, Draeger.
5.6. 1919
Die Auflösung des Soldatenrats wird angeordnet.  
   
Sept. 1919
Dem Arbeiterrat wird von Oberbürgermeister Lindemann der Geldhahn abgedreht.  

Erstellt unter Verwendung von Material aus: Dirk Dähnhardt, "Sichworte - Revolution in Kiel, Vom Kaiserreich zur Republik 1918/1919", Herausgeber: Landeszentrale für Politischen Bildung Schleswig-Holstein; Dirk Dähnhardt: "Revolution in Kiel", Wachholtz Verlag, 1978; Lothar Popp und Karl Artelt: "Ursprung und Entwicklung der Novemberrevolution 1918"; Bernhard Rausch: "Am Springquell der Revolution"; beide als Nachdruck erschienen als Sonderveröffentlichung 15 der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte; Klaus Kuhl: "Streitgespräch mit Lothar Popp", www.kurkuhl.de, 1978; Klaus Kuhl: "Interview mit Otto Preßler", www.kurkuhl.de, 1979; Gustav Noske: "Von Kiel bis Kapp", Verl. für Politik und Wirtschaft, Berlin, 1920

Anm. 1: Siehe Dirk Dähnhardt: "Revolution in Kiel", Wachholtz Verlag, 1978, S. 51 sowie
Rolf Güth, "Marineführung und Meuterei 1918" in "Schiff und Zeit" 7/1978, S. 5, Hrsg. Dt. Ges. f. Schifffahrts- und Marinegeschichte e.V.
Anm. 2: Hier gibt es unterschiedliche Darstellungen von Noske und Popp, vergleiche >>
Anm. 3: Dirk Dähnhardt: "Revolution in Kiel", Wachholtz Verlag, 1978, S. 107
Anm. 4: Wolfram Wette: "Gustav Noske - Eine politische Biographie", Droste Verlag, 1987, S. 247.
Anm. 5: Wolfram Wette: "Gustav Noske - Eine politische Biographie", Droste Verlag, 1987, S. 233 f.
Anm. 6: Wilhelm Deist: Die Ursachen der Revolution von 1918/19 unter militärgeschichtlicher Perspektive. In: Wilhelmshavener Museumsgespräche, Texte zur Geschichte der Stadt, Band 2, Die Revolution 1918/19 - 70 Jahre danach, Vortragsveranstaltung der Stadt Wilhelmshaven am 28. Und 29. Oktober 1988, bearbeitet und herausgegeben von Norbert Credé im Auftrag der Stadt Wilhelmshaven, Stadt Wilhelmshaven, Küsten Museum 1991. <br>
Anm. 7: Becker, Jean-Jacques/Krumeich, Gerd: Der große Krieg. Deutschland und Frankreich im Ersten Weltkrieg 1914-1918. Essen 2010, S. 272 f.
Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4. Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914-1949. München 2003, S. 152.
Anm. 8: Dähnhardt spricht von 47 Verhafteten (Dähnhardt, Revolution in Kiel, S. 54) und gibt als Quelle Bundesarchiv-Militärarchiv F 4077/64921 an. Es handelt sich nach neuer Signatur um RM 8/1022 und die Angaben befinden sich auf Blatt 257. Danach wurden 23 Heizer, die die Arbeit am Kessel verweigerten, 20 Matrosen, die sich weigerten anzutreten und 5 vermutete Rädelsführer verhaftet und dann in Arrestanstalten an Land gebracht. Vermutlich hat sich Dähnhardt bei der Anzahl geirrt. (Frdl. Hinweis von Dr. C. Lübcke.)
Anm. 9: Das Kriegstagebuch (KTB) der Marinestation nennt zwar den 18.11., jedoch gibt es drei Zeitzeugen (Karl Bock, Gustav Noske und Nikolaus Andersen), die alle Sonntag, den 17.11. angeben.

Last updated 18.4.2024

 

Zum Thema Kieler Matrosenaufstand (Novemberrevolution 1918) finden Sie hier weitere Informationen:

  • Interview mit einem der Führer: Lothar Popp >>
  • Lebenslauf L. Popp >>
  • Erlebnisbericht des zweiten Führers: Karl Artelt >>
  • Lebenslauf K. Artelt >>
  • Weitere Zeitzeugen >>
  • Filme über die Ereignisse >>
  • Einschätzungen >>
  • Zeitleiste >>
  • Virtueller Stadtrundgang >>
  • Kommentar >>